Mia`s blog-adventskalender- türchen 4
Sie lag auf dem Rücken im warmen Wasser des Außenbeckens im Solebad. Sie spürte das Wasser, das sie trug und blickte entspannt in den Nachthimmel. Der Mond erzählte ihr die Geschichte des Tages. Seine Sicht war eine völlig andere als ihre. Seine Geschichte gefiel ihr besser und als er geendet hatte, sah sie, wie etwas vom Mond herunter direkt neben ihr ins Wasser plumpste.
Es glitzerte wunderschön und ohne nachzudenken, streckte sie die Hand aus, um es zu erhaschen. Aber sie war zu langsam, hatte wohl doch einen Moment gezögert. Das Ding rutschte zwischen ihren Fingern hindurch und sank auf den Boden des gekachelten Schwimmbades. Da lag es nun. Ein schwaches Leuchten drang zu ihr herauf. Wie sollte sie an das Ding herankommen. Wenn sie eines hasste, dann war es das Untertauchen. Schon allein die Vorstellung, mit dem Gesicht unter Wasser zu müssen, jagte ihr trotz der Wärme des Solewassers eine Gänsehaut über den Rücken.
An Entspannung war nun nicht mehr zu denken. Wie sollte sie an das matt leuchtende Etwas herankommen, dass zu packen sie um Haaresbreite verfehlt hatte? Sie schaute sich suchend um, als gäbe es irgendwo im Außen eine Lösung zu entdecken. Bei aller Anspannung zwang sie sich zur Ruhe und schloss noch einmal die Augen; da fiel ihr ein, wie es gehen könnte.
Sie dachte an Erik, den Bademeister, der ihr vor zehn Jahren in genau diesem Schwimmbad zum ersten Mal begegnet war – einen verträumten jungen Mann mit kurzen, glatt gekämmten dunklen Haaren, stets mit einem Buch vor der Nase, der sie erstaunt und an #Paul Celan erinnert hatte. Damals saß er am Beckenrand auf einem dieser weißen Plastikstühle, die auch ein Solebad seinen Aufpassern zur Verfügung stellte und las in einem zerfledderten Taschenbuch, offensichtlich absorbiert von der Geschichte aus einer anderen Welt. Zunächst hatte sie sich nicht getraut, ihn anzusprechen, denn es schien ihr, als säße er inmitten einer Glocke aus flirrenden und tanzenden #Satzfragmenten, die sie nicht zu durchbrechen wagte. Doch ihr war der Lieblingsring ihrer Großtante beim Schwimmen abhanden gekommen, das kostbarste Etwas, das sie besaß und sie hatte Angst gehabt, danach zu tauchen. „Entschuldigen Sie, bitte, aber ich habe etwas sehr Wertvolles im Becken verloren, könnten Sie mir vielleicht bei der Suche behilflich sein?
Erik schüttelte sich kurz, blickte sie mit verklärten Augen an, zögerte danach keine Sekunde und sprang.
Liebe Leser*innen,
zunächst einmal möchte ich mich herzlich bei Mia bedanken, dass sie mich in ihren #Adventskalender schlüpfen und so Teil einer Geschichte werden lässt. Alles kursiv Gedruckte stammt von meinen Vorgängerinnen, das Nachfolgende von mir.
Gemeinsam eine Geschichte zu erzählen, finde ich ganz besonders und gerade zur Adventszeit sehr passend. So freue ich mich auf die Möglichkeit weiterer Beiträge am 12. und am 22.12. und bin gespannt, wohin uns die gemeinsame Sprache tragen wird…
Als kleine Anregung für die Zeit vor Weihnachten möchte ich euch das Buch von #Erling Kagge „Stille“ ans Herz legen. In dreiunddreißig knappen Texten gibt er Antworten auf die Fragen „Was ist Stille? Wo ist sie? Warum ist sie heute wichtiger denn je?“
Ein Buch, das mich immer wieder im tosenden Alltag innehalten ließ und das nicht nur durch eine klare Sprache besticht, sondern auch durch seine Illustrationen, die von der Stille in unserer Welt erzählen.
Viel Freude damit wünsche ich euch allen und morgen wird Sonja für euch das fünfte Türchen öffnen.
2 Kommentare
Liebe Hedda,
ein Bademeister, der Paul Celan liest – wunderbar! Das setzt einen Strom von Assoziationen frei. Bin gespannt, wie die Geschichte weiter geht. In ein paar Tagen bin ich ja auch an der Reihe.
Herzliche Grüße
Ulrike
Liebe Ulrike,
ich bin auch sehr gespannt und kann den nächsten Morgen kaum abwarten… Wie gesagt, ich fände es schön, wenn wir vielleicht mit ein paar Kommilitonen*innen Monatsgeschichten auf diese Art und Weise schreiben könnten – ich liebe kollaboratives Schreiben!
Beste Grüße und danke für deinen Kommentar
Hedda