Geschafft!
Und wieder ist es soweit – diesmal initiiert vom BKS 13. Wir vom BKS 11 blogparadieren mit, diesmal zu dem Thema „Geschafft“. Ach, wäre sie doch schon geschafft, denke ich leis seufzend, die Masterarbeit, die im Moment wie ein Damoklesschwert über meinem Haupte baumelt. Ich taumel zwischen Buchstaben und Silben hin und her und freue mich riesig zu paradieren statt zu studieren. Wenigstens ein kurzes Weilchen lang.
So möchte ich alle Leser*innen einladen mitzumachen, etwas zu dem Thema „Geschafft“ zu schreiben und mit zu paradieren. Lasst Worte in die Lüfte steigen, erzählt, was ihr geschafft habt, was euch geschafft hat oder was auch immer – in Prosa- oder Reimform, erlaubt ist, was gefällt… Nur Mut – ihr schafft das schon!
„Geschafft!“ Sie ließ sich in den Sessel fallen, der ihre 110 Kilogramm mit einem leisen Ächzen quittierte. „Ich habe es tatsächlich geschafft,“ rief sie nicht ohne erkennbaren Stolz in ihrer sonst eher brüchigen Altstimme. „Wer hätte das gedacht? Das hat mir keiner zugetraut, noch nicht einmal ich mir selber,“ musste sie sich eingestehen. Sie griff zu dem Sektkelch, der auf dem kleinen Holztisch aus Mahagoni neben ihr stand und prostete ihrem Spiegelbild zu. Heute war ein Tag, an dem sie aufs Ganze gehen konnte, heute waren alle Gesetze außer Kraft gesetzt. Sie hatte es geschafft – sie hatte sich aufgerafft, obwohl zwischen ihrer Angst und ihrem Mut eine Riesenlücke klaffte, die sie nicht zu überwinden wagte. Bis heute. Heute war Yngvilds großer Tag! Sie zündete sich eine Hoyo de Monterrey an und paffte Kringel aus Rauch in die Luft.
Seit Jahrzehnten hatte sie sich diesen einen Moment ausgemalt. Hatte über Waffen nachgedacht und andere perfide Strategien, hatte diese Gedanken wieder verworfen und stattdessen darüber sinniert, wie sehr sie ihre Kräfte zusammenraffen müsste, um an ihr Ziel zu gelangen.
„Geschafft!“ Das breite Grinsen wich nicht mehr aus ihrem Gesicht. Es war das H1N1 -Virus, das ihn dahingerafft hatte. Vom Stamme A/CA/4/09. Sie hatte gar nichts machen müssen. Nur Warten. Und das hatte sie geschafft. Ein einziges Mal in ihrem Leben hatte sie die Geduld aufgebracht, nicht zu handeln, sondern zu warten. Bis das Virus seinen Job erledigt hatte. Und ihr Leben beginnen konnte.
Zwei Stunden später:
Sie schraubte die Kappe auf ihren schwarzen Füllfederhalter, legte ihn beiseite, klappte ihr Buch zu, blickte auf das Bild mit der Tassenparade, das ihr ihre beste Freundin Ragnar vor zehn Jahren zum sechzigsten Geburtstag geschenkt hatte. Und war trunken vor Glück.
4 Comments
Liebe Hedda,
du zögerst den Moment der Enthüllung genüsslich heraus. Bei der bitterbösen Pointe deiner schwarzhumorigen Geschichte musste ich schmunzeln. Ich proste der Protagonistin zu.
Herzliche Grüße
Ulrike
Liebe Hedda,
da frage ich mich doch, wen sie durch ihr Nichtschaffen geschafft hat: Den Wellensittich, den Mops oder gar den Ehemann? Toll, wie Du es geschafft hast mit wenigen Sätzen eine knisternde Atmosphäre zu schaffen, in der ich gern bis zur Auflösung des Rätsels weiter gelesen hätte. Ach ja, wenn sich durch Abwarten Probleme lösen lassen – wie schön, aber auch wie selten. Und es zu schaffen, geduldig abzuwarten, das ist auch eine Kunst.
Liebe Grüße
Anne
Liebe Hedda,
eine sehr schöne, kleine Szene, die ich an den Satz von Olaf Kutzmutz erinnert, den ich erst gestern gelesen habe: „Wenn du ein Haus für die Literatur baust, vergiß nicht den Keller … für die Leichen.“
Du hast es mit wenigen Worten geschafft, eine dichte Atmosphäre zu erschaffen, mit Gänsehaut und Erleichterung, dass sie es geschafft hat.
Ganz liebe Grüße,
Mia, mit ihrem ersten Kaffee für den Tag beginnt denselben mit deinem Text 🙂
Liebe Sabine,
ich war selber ganz erstaunt über den Verlauf der Geschichte. Das passiert immer wieder beim Geschichtenerzählen, der Anfang ist da und das Ende ein Abenteuer!
Erstaunlich fand ich den Gegensatz zwischen Schaffen und Nichts-tun. In der Passivität liegt auch Aktivität, darüber habe ich gestern lange nachgedacht und das passt zum inneren emMA – Widerstand, den es noch zu überwinden gilt.
Ich freue mich, dass wir gemeinsam ringen und dass du die Geschichte mit mir teilst.
Liebe Grüße von Schreibtisch zu Schreibtisch …
Hedda